Lissy und Rolf Heide aus Pirna

Beispiel des Monats Februar 2025 für das ehrenamtliche Engagement Hochaltriger
Ehrenamtlich engagierte über 80-Jährige als Einstiegshelfer für Jüngere

Lissy (80) und Rolf Heide (84) aus Pirna unterstützen als Senior Experten bei der Berufsausbildung.

Lissy und Rolf Heide bei der Preisverleihung am 25. November 2024 in der Wolkenburg in Köln
Von links nach rechts: Dr. Jürgen Rembold, Stifter des Preisgeldes, Rolf Heide, Lissy Heide, Petra-Weitz-Hanf, Mitglied der Jury

Wozu braucht man den Preis „Engagement 80 plus“? Sollte sich jemand diese Frage wirklich stellen, dann hätten Lissy und Rolf Heide eine gute Antwort darauf: „Die Auszeichnung hat uns nochmal beflügelt.“ Denn mit 80 und 84 fragt man sich schon mal, wie lange man noch jungen Menschen beim Berufseinstieg helfen soll. Doch gerade das Generationen übergreifende Engagement überzeugte die Jury der Stiftung ProAlter.

Mindestens so wichtig wie eine Auszeichnung ist die direkte Rückmeldung der jungen Leute, wenn sie dank der Beratung durch die erfahrenen Senioren ihre Ausbildung geschafft haben. „Das gibt einem immer wieder Kraft“, meint Rolf Heide. Mal gibt es Blumen oder eine Pralinenschachtel, wenn die Prüfung bestanden ist. Häufiger erhält das Ehepaar aus Pirna eine WhatsApp, manchmal mit Foto, auf dem stolz das Zeugnis hochgereckt wird. Zu manchen Absolventen hält der Kontakt seit Jahren und kürzlich erreichte die Heides ein Hochzeits-Video. Wer weiß, ob die abgeschlossene Berufsausbildung auch das Fundament für die Partnerschaft war.

Seit 14 Jahren engagieren sich Lissy und Rolf Heide im Mentorenprogramm VerAplus des Senior Expert Service (SES). Der SES bezeichnet sich als „führende deutsche Entsendeorganisation“ für ehrenamtliche Fach- und Führungskräfte im Ruhestand oder in einer beruflichen Auszeit. Etwa 13 000 ehrenamtliche Experten unterstützen derzeit den SES, der in Bonn beheimatet ist. Ein Großteil von ihnen ist im Ausland engagiert. Beim SES haben die Heides vor ihrem Start als Mentoren eine Grundausbildung absolviert, um auf die Beratung junger Menschen vorbereitet zu sein. Wobei Rolf Heide als Berufsschullehrer für Deutsch und Wirtschaftskunde schon jede Menge pädagogische Erfahrung mitbrachte.

Lissy Heide unterstützt Katheryne K. aus Venezuela, die parallel zur Schichtarbeit eine Ausbildung macht.

Der berufliche Hintergrund von Lissy Heide ist anders gelagert. Auf jeden Fall aber ein gutes Beispiel, wie weit man mit Interesse, Fleiß und Flexibilität kommen kann. Die Laufbahn als Chemikerin musste sie aus gesundheitlichen Gründen aufgeben, weshalb sie auf Maschinenbau umsattelte. Als Ingenieurin hat sie das Kernkraftwerk Stendal mitprojektiert. Mit der Wende kam dessen Ende: Das KKW wurde nie fertiggestellt. Lissy Heide machte sich dann selbstständig und führte zwei Ingenieurbüros in Dresden und eines zuhause in Pirna. Dabei leitete sie auch viele Studenten der TU an, hat also ebenso pädagogische Erfahrung gesammelt.

Der unterschiedliche Erfahrungshintergrund spiegelt sich auch im ehrenamtlichen Engagement wider. Lissy Heide betreut eher die angehenden Mechatroniker, ihr Mann mehr die Hauptschulabsolventen, die einfachere Lehrberufe anstreben. Der 84-Jährige findet auch den Draht zu den BVJ-Schülern, die im Berufsvorbereitungsjahr mehr Anschubhilfe benötigen. Unabhängig vom Berufsziel kämpfen aber viele junge Leute mit dem Rechnen. Das brauche man nicht nur als Techniker, sagt Lissy Heide, auch ein Koch müsse eine Wirtschaftlichkeitsberechnung hinkriegen.

Um die Schützlinge, die ihnen von den Schulen zugewiesen werden, gut auf Prüfungen vorzubereiten, haben sich die Heides alte Abschlussprüfungen der IHK besorgt. Da tauchten dann häufig sprachliche Hürden auf, berichtet Lissy Heide, weil die Fragen nicht immer in einfachem Deutsch formuliert seien. Sie sieht aber nicht nur die Schüler in der Verantwortung, ihren sprachlichen Horizont zu erweitern, sondern die Industrie- und Handelskammern sollten ebenso versuchen, ihre Unterlagen verständlicher zu formulieren.

Etwa 60 junge Menschen haben die beiden SeniorExperten bisher betreut. Die Abbruchquote bei den Ausbildungen sei gesunken, zieht Lissy Heide positive Bilanz. Neben Einfühlungsvermögen benötige man auch eine gewisse Frustrationstoleranz. Immerhin funktioniere die Unterstützung bei etwa 80 Prozent der Azubis gut. Auffällig sei, dass insbesondere die Auszubildenden mit Migrationshintergrund große Lernbereitschaft zeigen. „Die wollen hier unbedingt Fuß fassen“, erzählt die 80-Jährige. Sie bewundere eine Frau aus Venezuela, die im Drei-Schicht-Betrieb arbeite und parallel die Ausbildung zur Anlagenfahrerin mache. Lissy Heide: „Wir begleiten Sie während dieser Doppelbelastung.“

Häufig haben die Preisträger von „Engagement 80 plus“ mehr als ein Ehrenamt. Nein, hätten sie nicht, sagt Lissy Heide, die 1:1-Betreuung der Auszubildenden sei sehr zeitaufwändig. Neben der Vorbereitung müssten sie auch halbjährliche Berichte an den Bonner Senior Expert Service schreiben. Und es wollen auch zwei Gartengrundstücke in Pirna gepflegt sein und mit ihrem Projekt Wintergarten soll es ebenfalls vorwärts gehen. Rolf Heide ist außerdem passionierter Hobbymusiker, er spielt Gitarre und Keyboard. Gleich nach dem Interview will er mit seinen Hausmusikfreunden loslegen. Das Ehrenamt, so sagt er zum Schluss, das koste keine Kraft, sondern es gebe ihm immer wieder Kraft.

Rolf und Lissy Heide halten sich fit: Mit Wandern und Gartenprojekten.

Was ist das Besondere in dem Engagementbereich, in dem Lissy und Rolf Heide tätig sind? Ältere unterstützen Jüngere!

VerAplus oder Verbesserung von Ausbildungserfolgen ist ein bundesweites Mentoringprogramm des Senior Expert Service (SES), das zum Teil vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird. VerAplus bringt junge Menschen, denen die Ausbildung schwerfällt, mit ehrenamtlichen Fachleuten im Ruhestand zusammen: immer nach dem 1:1-Prinzip oder Tandem-Modell. Ein Erfolgsrezept! VerAplus hat bereits mehr als 24.000 Auszubildenden geholfen – kostenlos!

Das Angebot von VeraPlus

VerAplus zeichnet sich durch ein 1:1-Mentoring aus, bei dem ehrenamtliche Mentorinnen und Mentoren ihre Lebenserfahrung und Fachkenntnisse einbringen. Das Programm bietet individuelle, persönliche Unterstützung in allen Lebensbereichen – von beruflichen und schulischen Herausforderungen bis hin zu privaten Themen. Der Fokus liegt auf Hilfe zur Selbsthilfe, der emotionalen Begleitung und der langfristigen Förderung der Auszubildenden.

VerAplus ist zeitlich und inhaltlich flexibel, auf Wunsch vertraulich und immer kostenlos. Dadurch ist das Angebot niedrigschwellig und besonders zugänglich. VerAplus ist unabhängig und ergänzt bestehende Programme sowie Regelangebote, ohne sie zu ersetzen. Mentorinnen und Mentoren können ihren Einsatz zusammen mit den Auszubildenden frei gestalten, was das Programm für beide Seiten individuell und anpassungsfähig macht.

Das Programm fördert neben Lern- und Fachkompetenzen auch die sozialen Fähigkeiten. Außerdem unterstützt es den Austausch zwischen unterschiedlichen Kulturen und Generationen.

VerAplus bietet eine stabile, vertrauensvolle Beziehung zwischen den Mentorinnen beziehungsweise Mentoren und den Auszubildenden. Dabei steht der menschliche Aspekt im Vordergrund, um Auszubildenden zu helfen, selbstständig und erfolgreich ihre Ausbildung zu bestehen. Auszubildende sollen in ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung sowie ihrer Handlungskompetenz so gestärkt werden, dass sie ihren Lebensweg selbstständig gestalten können.

Mögliche Aufgaben in der Ausbildungsbegleitung:

  • Förderung der sozialen Kompetenzen, Angebot von Unterstützung bei persönlichen Herausforderungen und Stärkung des Vertrauens in das Konzept der beruflichen Ausbildung
  • Förderung der Lernmotivation, Hilfe beim Lernen sowie der Prüfungsvorbereitung und Ausgleich fachlicher und sprachlicher Defizite
  • gemeinsame Zielsetzung mit den Auszubildenden, Angebot vertrauensvoller Unterstützung und Hilfe beim Lösen beruflicher und schulischer Konflikte
  • Entwicklung effektiver Lernstrategien gemeinsam mit den Auszubildenden, Förderung der Selbstorganisation und Unterstützung bei allgemeinen Fragen der Lebensgestaltung
  • Beratung bei familiären und sozialen Herausforderungen, Unterstützung bei der Wohn- und Lebensorganisation und Motivation zur Eigenverantwortung
  • Stärkung sozialer Kompetenzen, Vermittlung und Vorleben von Werten
  • Nutzung regionaler Kontakte und offizieller Hilfesysteme für die Auszubildenden, Unterstützung bei behördlichen Angelegenheiten und Begleitung der Integration in das berufliche und gesellschaftliche Leben

Näheres über das VerAplus-Mentoringprogramm
findet man unter: https://vera.ses-bonn.de/

SENIOR EXPERT SERVICE (SES) gGmbH
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